Der Wecker klingelt viel zu früh. Im Hotel gibt es nämlich Sonntags erst ab 7:30h Frühstück. Das wäre für den Halbmarathon ja sowieso etwas knapp geworden, um es mal vorsichtig zu sagen. Der Lauf startet heute nämlich schon um 8:45h, Treppunkt wäre um 7:45h gewesen.
Aber heute ist das alles egal. Wir laufen ja separat. Im Wald. Quasi ein Trainingslauf zusammen mit Joey ohne Halbmarathonmassen.
Wir kommen, dank halb gesperrter Stadt, etwas verspätet zum Treffpunkt. Das ist aber nicht weiter wild, heute lerne ich eh noch viel dazu, was das Leben und seine Entspannung angeht. Joey winkt uns auf den Parkplatz ein und ich schnaufe kurz durch, ehe ich aussteige. Lange erwartet, kann ich das jetzt irgendwie nicht glauben. Denn wenn ich jetzt aussteige sagt Joey Kelly mir gleich Hallo. Für ihn bestimmt was alltägliches, aber für mich total besonders.
Wir geben uns die Hand und er gibt uns sofort das Gefühl herzlich Willkommen zu sein. Und weil das so ist, bin ich spontan auch nicht mehr aufgeregt sondern entspannt. Anspannung scheint es in der Welt des Joey Kelly sowieso nicht zu geben. So sieht es für mich auf alle Fälle aus. Und für diese paar Stunden heute passen der Zeugwart und ich uns perfekt an.
Er zeigt uns, wo wir später duschen können, seine Flaschensammlung von Magnumsektflaschen die es beim Raab für die Treppchenplätze gibt, seine Hochseiltrainingsanlage und eine sehr abwechslungsreiche Fahrzeugsammlung. Darunter auch ein Stoccar mit Stefan Raab auf der Motorhaube. Verrückt. Aber zum Wegwerfen wirklich irgendwie zu schade, das verstehe ich. Joey sammelt einfach gerne. Und bei dem vielen Platz bietet sich das ja förmlich an.
Nachdem wir noch einen tollen Blick auf den Kölner Dom genossen haben, laufen wir los. Das Tempo ist angenehm. Ich habe offensichtlich oft genug erwähnt, dass ich nicht die Schnellste bin? Sehr gut. Die Strecke ist schön. Jeder Läufer, Spaziergänger und Hundeführer grüßt unsere kleine Laufgruppe. Liegt das am Teamdress vom Zeugwart und mir? Daran liegt es nämlich oft daheim. Wahrscheinlich hier nicht. Hier ist es wohl Joeys Bekanntheitsgrad. Na gut.
Er erzählt und fragt auch ganz viel. Über meine vergangenen Wettkämpfe über die die noch kommen sollen und über den Verein. Er freut sich, dass ich mich für die Mitteldistanz in Köln angemeldet habe. Weil das ein toller Wettkampf ist, sagt er. Und dann will er wissen, wann ich den Ironman mache.
Ha ha, da muss ich spontan lachen. Und antworte, dass ich meine sportliche Karriere höchstwahrscheinlich nach der Mitteldistanz in Köln erschöpft an den Nagel hängen muss. Das lässt er aber nicht gelten. Da ist er irgendwie wie die Teamchefin.
Er, der in seinem Leben schon so viele Wettkämpfe gemacht hat und einfach nicht müde wird. Er, der einen unbändigen Ehrgeiz und eine wahnsinnige Lust am Leben an den Tag legt. Er, der sich in der heutigen Welt ganz offensichtlich seine ganz eigene Ruhe bewahrt hat und sich zumindest äußerlich durch nichts aus der Ruhe bringen läßt.
Für ihn ist meine Antwort einfach unbefriedigend. Er ist nicht damit zufrieden und ermutigt mich, dass ich die Ironmandistanz auch versuchen soll. Er ist sich sicher, dass ich das schaffen kann.
Von meiner Medaille und mir möchte er unbedingt ein Foto nach dem Kölner Wettkampf. Er versichert mir ehrlich und es wirkt, als kommt es von Herzen, dass er sich freuen würde, über so ein Bild. Ich verspreche es. Natürlich. Wer kann schon behaupten, dass das Zielfoto erst mal an Joey Kelly geschickt werden soll? Viele Menschen wird es nicht geben.
Wir laufen weiter. Mein Bein schmerzt ein paar Mal, so dass ich kurze Gehpausen mache. Dem Zeugwart kommen die gerade recht. Ist ja immerhin der erste längere Lauf nach einer Weile. Außerdem wurde er damit ja Freitag Nachmittag überrascht.
Gehpausen sind für Joey überhaupt kein Thema. Nicht, dass er zu irgendeiner Zeit einen erschöpften Eindruck gemacht hätte...aber gut. Er steckt zurück, weil es eben um mich geht bei diesem Lauf. Einfach sehr nett.
Irgendwann fragt er so aus dem Nichts nach meinem Alter und antwortet sich selbst mit: "30"!?! Wow. Ich habe mich offensichtlich gut gehalten. Und das auch noch während eines Laufes! Na dann. Was soll bitte überhaupt noch schief gehen?
Im Gespräch fragt Joey uns, ob wir vielleicht heute Abend noch in den Zirkus Flic Flac gehen möchten. Er hat nämlich Eintrittskarten, die er uns geben könnte. Da der Zeugwart und ich uns mit dem heutigen Tag und den vielen Geschichten ein Lebensmotivationsbeispiel nehmen, sagen wir spontan ja. Das Spektakel ist sicherlich absolut sehenswert.
Als wir wieder zurück am Start sind gehen wir duschen und bekommen etwas zu trinken. Joey schreibt noch eine Widmung in mein bzw. sein Buch und ich glaube, die hat was mit dem Ironman zu tun.
Nachdem wir noch ein Zeitungsfoto gemacht haben verabschieden wir uns. Herzlich und irgendwie wie alte Freunde. Und Joey erinnert mich noch mal daran, dass er gerne das Zielfoto aus Köln geschickt hätte. Herrlich.
Der Zeugwart und ich fahren irgendwie beseelt vom Hof. Beseelt und hungrig. Also halten wir erst mal an um etwas zu essen. Dabei erfahren wir so ganz nebenbei, dass meine Nennnichte heute das Licht der Welt erblickt hat. Unfassbar. Auf einmal ist sie da. Wir freuen uns riesig. Ihre Mama und sie sind wohlauf, was will man mehr? Heute ist ein wirklich toller Tag.
Dann fahren wir nach Köln. Wir wollen noch die angsteinflössende Treppe anschauen und ein bischen die Sonne genießen. Bei 20Grad ist der lange Winter wirklich fast vergessen.
Die Abendplanung mit dem Besuch im Zirkus beginnt mit einem absolut einzigartigen Toilettenbesuch. Weil der eigentlich kaum zu toppen ist, sind wir total gespannt, was noch kommt. Und wir werden nicht enttäuscht. Das Programm ist atemberaubend. Wir sind wirklich total gefesselt. Was ein gigantischer Abschluss für das Joey Kelly Erlebnis. Fast besser als eine Medaille. Soviel ist sicher.
Und vielleicht mache ich zukünftig doch wieder bei solchen Gewinnspielen mit. Was sind schon Sachpreise gegen Geschichten, die das Leben schreibt und einen solch tollen Trainingslauf? Ein herrlicher Tag geht zu Ende.
Und der hätte besser einfach nicht laufen können.