Heute hier, morgen da. Irgendwie komme ich mir dieses Wochenende so vor, obwohl ich ja wirklich nicht viel rumkomme oder weit fahren muß. Gestern also Tough Mudder im Nord-Osten von Frankfurt, heute 70.3 Wiesbaden. 50km in die andere Richtung. Die Welt ist klein. Irgendwie zumindest.
Wir stehen heute unheimlich früh auf, denn wenn wir ein paar schöne Fotos schießen möchten, dann müssen wir ein Stück laufen. Leider habe ich einen Fotopunkt ausgesucht, zu dem es von allen Seiten immer nur bergauf geht. Unglaublich, aber wahr. Wiesbaden ist ja sowieso nicht die flachste Stadt der Welt, aber heute scheuchen mein Knie und ich, den Zeugwart und seinen Freund, den Fotografen, den Neroberg hinauf. Hier gibt es die Russisch-Orthodoxe-Kirche zu deren Füßen die Radfahrer vorbei schießen, wenn sie auf dem Weg zur Platte sind. Ich kenne die Strecke vom letzten Jahr und locker, bequem und einfach ist etwas anderes... aber gut. Darum geht es ja jetzt auch nicht.
Wir laufen also zur Kirche. Zügig würde ich sagen. In der Hoffnung, dass mein Knie das gut wegsteckt und mich im Anschluß an den Spaziergang nicht ärgert. Der Berg ist schließlich genauso hoch und genauso steil, wenn man ihn hochschleicht, also egal. Wir sind 15Minuten vor der Radspitze oben und können noch mit zahlreichen Papageien Freundschaft schließen, die um die Zwiebeltürme der Kirche umeinand fliegen. Wiesbaden hat es ja irgendwie mit Papageien, auch im Schloßpark in Biebrich gibt's ne ganze Sittichkolonie.
Wir suchen den besten Platz für schöne Fotos.
Ehe wir dann genau rechtzeitig aufbrechen uns auf den Weg zur Platte machen. Den Stich hier von der Talstation der Neroberg - Bahn hoch zur Platter Strasse habe ich noch in guter Erinnerung. Die Radstrecke ist wirklich sowas von schwierig und fies. Ich muß dringend die Formel rausfinden, was die Athleten dazu befähigt hier zu starten. Wie viel Training ist notwendig? Wie viele Höhenmeter muß man fahren um so einen Wettkampf zu absolvieren? Was um Himmels Willen essen diese Menschen um diese Leistung abzurufen? Ich kann mir darauf kaum einen Reim machen, so steil geht es hier den Berg hinauf. Der Stich ist nicht lang, aber vergessen werde ich ihn auch nicht.
Pünktlich, ehe die Spitze komplett durchgefahren ist, werden wir noch Zeuge eines Ignoranten, der denkt, dass ein Motorrad auf einer gesperrten Strasse ruhig mal um ihn rumfahren kann, weil er eben einfach jetzt gerade schrecklich langsam über die Strasse gehen muß. Mir stockt der Atem, aber es passiert glücklicherweise nichts. Der Motorradfahrer versteht sein Handwerk und der Ignorant geht ruhig weiter, als wäre nichts passiert. Wie schön, dass tatsächlich nichts passiert ist. Die Spitze rast nur Minuten später die Platter Strasse runter nach Wiesbaden und in Richtung Wechselzone. Ab hier geht es wirklich nur noch bergab. Ob mich das allerdings für den Aufstieg zur Kirche und den letzten Stich entschädigen würde, glaube ich nicht. Vielleicht sieht das ganze als Wettkämpfer und Athlet aber doch schon wieder ganz anders aus?
Nachdem wir ausgiebig und in unseren Augen genügend Radfahrer bei ihrer Bergabfahrt angefeuert haben, machen auch wir uns an den Abstieg. Die Laufstrecke beginnt unten im Tal und so marschieren wir -wieder durchaus zügig- in Richtung Wechselzone am Kochbrunnen. Ich habe mir immerhin auch ein Messebudget zusammengespart, dass heute hier ausgegeben werden möchte. Immerhin steige ich in absehbarer Zeit wieder in den Zeitvertreib Sport ein und dafür will ich vorbereitet sein.
Auf der Messe erstehe ich ein Fahrradtrikot (ich habe derer bisher lediglich zwei brauchbare und fahre ansonsten in Laufshirts, was sich als extrem unpraktisch erweist), eine neue Triathlonhose von Skinfit und ein T-Shirt. Der Zeugwart versorgt sich mit Gels, Gummibärchen und Sprudeltabletten. Es ist ja quasi so, dass wir so einen Kram nie daheim haben und es in unseren Schränken diesbezüglich nichts zu holen gibt. Ich bin also voller Verständnis, dass der Zeugwart all diese wichtigen Utensilien kauft.
Nach dem Einkaufsbummel, der sich in diesem Jahr wirklich außerordentlich gelohnt hat, geht es an die Laufstrecke und an den Zielbereich. Hier ist -wie bei jedem dieser Ironman Events- Gänsehautstimmung und ich schaue auf die Athleten, die fleißig ihren Halbmarathon laufen und freue mich wahnsinnig für alle, die unter Klatschen und Jubelschreien des Publikums in den Zielkanal abbiegen dürfen. Wie alle um mich rum, bekomme ich hier auf Knopfdruck eine Gänsehaut und bin dabei nur eine von vielen.
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