Ich wäre ein prima Gefängnisinsasse, außer dass mir jegliche kriminelle Energie fehlt die dafür nötig ist erst mal eingewiesen zu werden. Ich lese an den Seetagen ein Buch nach dem anderen, mittlerweile sind wir drei volle Tage auf See und ich lese mein fünftes Buch. Gut, dass es eine Bibliothek an Bord gibt. Gibt es im Gefängnis bestimmt auch, weiß ich aber nicht, weil ich ja bisher nie in einem war.
Gestern war der Seetag mit einem Termin gespickt. Ich war um 15h Schwäne aus Äpfeln und Mäuse aus Melonen schnitzen.
Mehr hatte ich nicht vor. Ich habe ansonsten gelesen. Den ganzen Tag.
Mehr hatte ich nicht vor. Ich habe ansonsten gelesen. Den ganzen Tag.
An Seetagen fühle ich mich auf diesem Schiff wie im Heim. Oder wirklich wie im Gefängnis. Selbst bei Hausarrest würde ich mich freier fühlen. Ich kann zwar raus und rein, also an die Luft, wie ich möchte... aber das bringt dem Gefühl des „nicht weg Könnens“ nichts weiter. Ich kann nicht weg. Genau wie alle anderen an Bord. Wir sind gefangen.
Allerdings gibt es an Seetagen natürlich wesentlich mehr Programmpunkte an Bord, als an Landtagen. Trotzdem sind das nur Lichtblicke und außerdem bin ich weder daran interessiert zu boulen noch möchte ich Shuffleboard oder Volleyball an Deck spielen. Ich lese und schaue in die Weite hinaus. Den ganzen Tag.
Der gestrige Seetag war mit 25°C und prallem Sonnenschein einfach predistiniert dafür zusätzlich zum Lesen auch noch Ausschau zu halten. Ich habe zweimal Sonnencreme nachgeschmiert, so hat die Sonne runter gebrannt.
Das kleine Büchlein „Shakespeare wie ich ihn sehe“ war schon am Vormittag ausgelesen... und als Lesepauseneinlage gab es ein paar Walfontainen zu bestaunen. Wenn man ewig auf das Meer hinausblickt, in dem sich die Sonne spiegelt, sieht man allerlei. Vor allem sieht man allerdings Dinge, die nicht da sind. Auf einmal sind überall kleine Schaumkronen unter denen sich Großfische verstecken könnten. Man interpretiert einfach in jede Welle eine Flosse rein und so ist es schon was Besonderes, wenn man feststellt, dass genau in dem Ausschnitt, den man gerade im Visier hat, ein Wal vorbei schwimmt und Wasser ausbläst. Und wenn gleichzeitig an mehreren verschiedenen Stellen nebeneinander Wasser ausgeblasen wird, kann man nur darauf hoffen, dass sich wenigstens einer dieser Wale auch mal zeigt.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Heute haben wir bewölkten Himmel und die Lufttemperatur sind 12°C. Das Wasser im St. Lorenz Strom hat kühle 9°C, ganz im Gegensatz zum Atlantik der uns gestern noch fröhliche 18°C entgegengespritzt hat. Es ist ungemütlich windig draußen und die Wellen sind ordentlich. Ordentlich hoch.
Ich lese heute die restlichen 500 Seiten von Tintenherz, die ich gestern nicht mehr geschafft habe. Ein sehr gutes Buch.
Und dann lese ich gleich noch eines hinterher. Was soll ich sonst tun? Mein Yogaworkshop ist abgesagt und auch die private Trainingsstunde paßt dem indischen Yogameister nicht in den Kram. Also Yoga soll wohl einfach nicht sein während der Schiffsreise?
Ich geh laufen statt dessen. Oben auf Deck 11. Da ist sicherlich nichts los. Kaum öffnet sich die Schiebetür zu Deck 11, weiß ich auch sofort, warum hier sicherlich überhaupt rein gar nichts los ist. Es stürmt. Das, was das Meer so aufgewühlt erscheinen läßt ist hier oben, auf Deck 11 ein ausgewachsener Sturm. Allerdings nur in einer Richtung. Ich beginne zu laufen und mit Rückenwind muß ich aufpassen, dass mich der Sturm nicht zu Fall bringt und ich rechtzeitig meine Füsse voreinandersetze. Laufe ich wieder zurück, komme ich mir vor wie in einer Gegenstromanlage nur ohne Wasser. Der Wind blockt... ich komme wirklich kaum einen Schritt voran. Unfassbar.
Nach 6 Runden an Deck finde ich mich supersportlich und laufe runter in den 9. Stock. Da ist das Fitnesscenter vom Schiff. Als ich eintreffe wird gerade ein Laufband frei und so nutze ich die Gelegenheit und laufe. Ich hasse das Laufbandlaufen noch immer. Komisch, dass sich das noch nicht geändert hat. Ich laufe also. Mit Blick auf das stürmische Meer.
Es ist wie gestern, nur ohne Sonne und mit hohen Wellen. Aber beim Ausschau halten sieht man trotzdem allerlei Dinge, die wahrscheinlich einfach nicht da sind. Jede Schaumkrone könnte auch eine Flosse gewesen sein, war da nicht gerade was? Ach nein... wieder nur eine große Welle. Aber dahinten, das ist definitiv eine Walausblasfontaine.
Allerdings nur zweimal... dann sehe ich nichts mehr.
Immerhin hat mich die Neugier am Meer und was sich hinter der nächsten Welle so alles verbergen könnte heute 40Minuten auf dem Laufband gehalten. Das ist doch schon mal was.
Mein Buch lese ich heute noch fertig. Und fange gleich ein Neues an. Gut, dass wir morgen Rad fahren, und zwar an Land. Ich freue mich auf Quebec.
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