I know of no single factor that more greatly affects our ability to perform than the image we have of ourselves. (..) The most dramatic changes that take place…occur when you abandon a concept of self which had previously limited your performance. My job is to let go of the concepts and limiting images which prevent me from perceiving and expressing my greatest potential.”


(Timothy Gallwey, author of Inner Game of Tennis; in The Total Runner by Dr. Jerry Lynch)

Dienstag, 20. November 2012

Der Himmel und der Sandsack

Nachdem der Zeugwart mit seiner Kühlmanschette heute die Couch bewacht, fahre ich alleine nach Darmstadt. Schon in der Umkleide vernehme ich ein monotones Donnern und wundere mich. Aber weil ich nette Unterhaltung habe, während ich mich umziehe, achte ich nicht weiter auf dieses andauernde monotone Geräusch.

Im Motivationsraum, den ich einfach nur so nenne, weil er jedes Mal, wenn ich herkomme vor kraftvoller, motivierter Menschen nur so strotzt, ist jede Menge los. Vollkommen fasziniert setze ich mich auf die Bank und beobachte. Diese Gruppe ist fit, das habe ich ja schon vor Wochen festgestellt, aber dass sie so fit sind... ich bin mal wieder überrascht. Hier klärt sich auch gleich das monotone Geräusch. Es wird mal wieder durch ein Tier verursacht, diesmal durch ein weibliches seiner Art, dass mal eben 400 Step ups am Stück absolviert. Weibliche, wie auch männliche Tiere scheinen also ähnlich fit zu sein? Ich werde das beobachten. Insgesamt absolvierte das weibliche Tier heute 1.000 step ups. Unvorstellbar, ich kann 30 (aber die sind auch am Stück!).

Die fitten Feger, aus der Gruppe vor meiner, machen doch tatsächlich die Aufstehübung, die wir anfangs gelernt haben und die ich mit einer 4kg Kettlebell durchführe (und damit im Übrigen vollkommen ausgelastet bin), mit einem Sandsack auf der Schulter. Das ist doch der Knaller.

Bei einem dieser Fitten, der eigentlich vollkommen normal erscheint, zeichnen sich bei der Übung die Oberschenkelmuskeln dermaßen ab, dass ich förmlich hinstarren muß. Um Himmel's Willen! Ich starre und der arme Fitte kommt sich wahrscheinlich vor wie im Zoo. Es sind ja eh lauter Tiere hier.
Gut, dass Ingo mir gleich die Erklärung liefert, dass der Fitte den Frankfurter Messeturm in ungefähr 6Minuten hochrennt und auch sonst als Treppenläufer recht aktiv ist. Ich denke schnell darüber nach, dass ich wahrscheinlich selbst mit dem Aufzug langsamer bin als er ohne, und wende meinen Blick ehrfürchtig ab.

Mein umherschweifender Blick fällt dabei auf die große Tafel. Da steht nämlich unser Programm für heute dran. Mit uns meine ich den Fußballer und mich. Wir bekommen ein Programm mit vielen neuen Vokabeln und schon wird losgelegt. Ingo zeigt uns einmal alles und denkt doch tatsächlich, dass ich die Übungen alle absolvieren kann. Außerdem, und das ist wirklich sehr erfrischend, denkt er, dass ich mir alle Übungsabläufe merken kann. Er hat ein Gottvertrauen in meine Leistungsfähigkeit, wunderbar. Und schon bin ich etwas motiviert. Hat doch was mit dem Raum zu tun.

Beim Warmmachen, mache ich die Aufstehübung und lerne in diesem Atemzug gleich die neue Vokabel. Im Gegensatz zu den Fitten, halte ich die Kettlebell immer am höchsten Punkt und nehme keinen Sandsack. Sandsäcke sind was für die Fitten und die großen Jungs. Ich bin unfit und klein. Noch. Irgendwann will ich auch mit einem Sandsack aufstehen! Mein großes Ziel auf dieser Reise zum fit werden.

Wir wärmen uns auf und legen mit zwei Übungszirkeln los. Dabei gibt es aus jedem europäischen Land eine Übung, die es in sich hat. Zumindest ist das meine Meinung.
Heute schwinge die Kettlebell mit ihren 8kg in einer 8 um meinen Kopf und weil mir dabei fast die Arme abbrechen, hat Ingo sich im Anschluß gleich herrliche Sit ups ausgedacht, die ich mit einer 5kg Scheibe, die ich an ausgestreckten Armen vor meinem Bauch halte, absolviere. Durch das Loch der 5kg Scheibe sehe ich ein Stück Licht und ein Stück vom Himmel. Wobei das natürlich die Motivationsraumdecke ist. An die könnte man ruhig mal ein Stück vom Himmel für mich malen… immerhin quäle ich mich hier. Es ist unheimlich anstrengend. Allerdings eher für meine Arme, die die 5kg ausgestreckt rumhalten, nicht für meine Bauchmuskeln. Hab ich überhaupt Bauchmuskeln?
Bauch habe ich auf alle Fälle, das wird mir wieder schnell klar, als ich mich an die Stange hänge, wie ein nasser Sack, und meine Knie zum Bauch bringen soll. Ich schaue hoch, suche das Stück vom Himmel, und leide. Ich schaffe 4 mal hintereinander ohne abzusetzen, finde mich erst gut und bedenke dann, was die Fitten hier dran gemacht haben. Wo ist bloß der Himmel?

Der Kurs der Fitten ist mittlerweile vorbei, doch zwei dieser fitten Tiere haben noch immer nicht genug und machen step ups noch und nöcher. Das sind Fabelwesen, die einfach nicht müde zu kriegen sind. Was treibt sie an? Woher nehmen sie all diese Energie? Und was, um Himmels Willen, essen sie zum Frühstück? Wer weiß das schon?

Ich bekomme eine kleine Pause mit drei Squat to stand. Eine Kniebeuge bei der ich mich an einem Medizinball festhalten darf, um dann die Arme nacheinander gen Himmel zu recken. Dabei schaue ich hoch und wünsche mir wieder die Glasdecke oder das Gemälde mit dem Himmel. Es müsste ja wirklich nur ein Stück sein.

Ich seufze innerlich, obwohl ich diese Übung heute wirklich als angenehme Pause empfinde. Aber im Hinblick auf das, was noch kommt, ist mein Seufzen gerechtfertigt. Ich soll immerhin noch 30Sekunden – 1 Minute mein ganzes Gewicht auf meinen Unterarmen halten und dabei Bauch und Po heben und anspannen. Dabei kann ich nicht zum Himmel schauen, denn ich sehe nur die Matte vor mir und ich bin leider keine Eule. Ich muß davon mehrere Durchgänge machen und nehme mir vor beim ersten Mal 40Sekunden zu halten, dann 35Sekunden und dann noch zweimal 30Sekunden. Das klingt nach kinderleicht und nicht Wert zu erwähnen… aber der Himmel und ich wissen, wie anstrengend die Übung tatsächlich ist. Und ich schaffe mein Miniziel.

Und die Fabelwesen? Beide sind noch immer in ihrer Step up Monotonie gefangen.

Nachdem ich mit allen Durchgängen fertig bin und der Motivationsraum auch wieder ziemlich aufgeräumt aussieht, gehe ich duschen und finde mich ganz gut für heute. Ich bin schließlich total übermüdet hergekommen, habe trotzdem alle Durchgänge gemacht und ein großes Ziel gefunden: Der Sandsack. Irgendwann werden wir zwei die Stunde miteinander verbringen, genau wie die Fitten.

Viele Blicke zum Himmel regen anscheinend zum Träumen an. Seelig fahre ich nach Hause.

2 Kommentare:

  1. Ich mag deinen Schreibstil, eine Mischung aus herrlichen Beschreibungen und Selbsthumor. Amüsant zu lesen.
    Viele Grüße, Janine

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    1. Liebe Janine,
      danke dass Du vorbeigeschaut hast und schön, dass es Dir gefallen hat!
      Liebe Grüße!

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