I know of no single factor that more greatly affects our ability to perform than the image we have of ourselves. (..) The most dramatic changes that take place…occur when you abandon a concept of self which had previously limited your performance. My job is to let go of the concepts and limiting images which prevent me from perceiving and expressing my greatest potential.”


(Timothy Gallwey, author of Inner Game of Tennis; in The Total Runner by Dr. Jerry Lynch)

Sonntag, 2. September 2012

Der Trommler vom Köln Triathlon

Ich kann es gar nicht glauben, dass der Wecker schon klingelt. Außerdem weiß ich auch gar nicht wo ich bin. Das Bett ist eng und über mir erkenne ich nicht das Übliche. Offenbar, schlafen ich nicht daheim? Bis ich die Lage mühevoll sondiert habe und meine Beinmuskulatur ans Gehirn gemeldet hat, dass sie gedenkt heute nicht mehr weh zu tun, ist der Zeugwart schon voller Tatendrang aus dem Hotelbett gehüpft und in die Dusche vorgedrungen. Wow. Respekt.
Ich dreh mich einfach noch mal um.

Irgendwann erscheinen wir -immerhin noch mehr oder weniger pünktlich- zum Frühstück mit den Athleten und stellen fest, dass unser Hotel von fernöstlichen Touristen mehr als bevölkert ist. Ich komme mir wahnsinnig groß vor, der Zeugwart muß denken, er sei ein Riese. Ich kann praktisch auf alle Gäste herabschauen, so ein Gefühl kenne ich sonst gar nicht.
Ich merke bei den Athleten eine leichte Vorspannung und bin zufrieden. Endlich verhalten sie sich normal. Das ist fein.

Wir sind um 10h am Dom verabredet und so brechen wir zeitig auf und schlendern in die Stadt. Der Zeugwart und ich sind als Anfeuerer mindestens genauso gut vorbereitet, wie die Athleten selbst. Wir haben die Trommel und den Schellenkranz dabei. Beides werden die Athleten heute mit der Rad - und Laufstrecke verbinden, bis sie nicht mehr können.

Nach einem gefühlt ewig dauernden Weg durch die stille und fast menschenleere Kölner Innenstadt, überqueren wir den Rhein. Die vielen Schlösser auf der Brücke sind beeindruckend. Und der Blick über den Rhein auf die Deutzer Brücke, die bereits von den Triathleten der Langdistanz bevölkert ist, macht mir Gänsehaut. Ich liebe diesen Sportzirkus einfach. Es ist herrlich, wenn die Sonne die Brücke bescheint und die Räder das Licht wiederspiegeln. Es ist wirklich unbeschreiblich.
Oh, ich merke schon, ich hänge hinterher... ein kurzer Zwischensprint und schon habe ich wieder aufgeschlossen.

Die Athletengruppe läuft auf direktem Weg zum Shuttlebus und an der Haltestelle angekommen geht auf einmal alles ganz schnell. Wir verabschieden uns nämlich hier, wünschen Glück und Erfolg, Durchhaltevermögen und vor allem Spaß.
Die Athleten fahren alleine zum See und wir werden sie dann erst bei ihrer ersten Radrunde kurz nach der Deutzer Brücke bejubeln. Bis dahin sind es noch gute 3 Stunden. Wir müssen uns gedulden. Ich bin ein bischen traurig, dass wir nicht mit zum See gefahren sind, denn gerade das Schwimmen gefällt mir ja beim Triathlon am Allerbesten. Aber da wir dann auf das Shuttle angewiesen wären, ist uns die Rückankunft in die Stadt einfach zu unsicher und wir bleiben besser gleich hier.

Und wir bereuen es nicht.
Hier geht die Post ab.
Die Langdistanzathleten, die heute früh um 7h oder 7:30h auf die Wettkampfstrecke geschickt wurden bevölkern die Radstrecke und es gibt rund um die Uhr was zu schauen. Wir helfen mit und sichern Radflaschen und Gelpäckchen, so dass die Athleten keinerlei Sturzgefahr haben. Wir sind äußerst engagierte Zuschauer und der Helfer, der regelmäßig vorbei kommt um die Flaschen einzusammeln ist ganz begeistert. Wir kommen ein bischen ins Gespräch, was herrlich ist, weil es mir wieder zeigt, wie schön es ist, Teil dieser Familie zu sein. 
 Und weil wir als Anfeuertrupp auch mal ein Päuschen brauchen, machen wir uns pünktlich zur Mittagszeit auf, um eine Currywurst im Zielbereich zu essen. Selbstredent schafft es die Zielcurrywurst nicht an unsere Hauptsponsor Worscht ran, noch nicht mal ansatzweise. Aber wir haben keine Wahl, denn hungernde Anfeuerer sind keine Alternative. Also essen wir die Wurst und weiter geht's.

Zurück an der Radstrecke sind wir verunsichert, denn unsere Athleten lassen sich noch etwas Zeit mit dem Erscheinen, dann aber kommt der Kapitän um die Ecke und zeigt sich kämpferisch. Wir sind baff, denn er hat schon einen 10Minuten Vorsprung auf die Vereinsmädels rausgefahren und das, obwohl beide, ebenfalls top trainiert, voller Elan dabei sind und alles geben. Über das Outfit von Madita muß ich noch mal mit ihr sprechen, sie ist nicht in Vereinsfarben, sondern in schwarz getarnt. Daran, dass wir nicht erkannt werden möchte, kann es nicht liegen, denn beim ersten Anfahren auf unser Stimmungsnest winkt sie ganz wild mit den Armen und gibt sich zu erkennen. 
Lisabet kommt nur wenige Minuten hinter ihr. Gut zu erkennen sehe ich den orangenen Teameinteiler von weitem und brülle mir die Seele aus dem Leib. Sie lächelt. Ist das prima! Die erste Radrunde scheinen die Vereinsmädels gut wegzustecken. Mit lautem Getöse und fleißigem Trommeln und Schellenkranzlärm geht's auf die Nächste.

Wir sehen nun natürlich auch die anderen Athleten öfter vorbei kommen und haben einige, die es sichtlich genießen, dass wir nicht nur unsere Athleten sondern einfach alle anfeuern. Dabei stellen wir auch fest, dass der Triathlon Einteiler der Teamchefin ganz offensichtlich Mitteldistanz kann und sie sich für das kommende Jahr im Kraichgau zumindest diesbegzüglich keine Gedanken machen muß. Die Trägerin freut sich immer diebisch, wenn sie das Trommeln des Zeugwarts hört. Herrlich. 

Als die ersten Langdistanzathleten in die Wechselzone einbiegen, beginnt für den dort abgestellten Helfer eine wahre Odysse. Der arme Mann tut mir sehr leid, denn die Athleten, die unkonzentriert einfach dem Tross nachfahren, ihre Runden nicht selbstständig zählen oder einfach quer in die Wechselzone reinschießen geben ihrem Frust gleich freien Lauf und motzen ihn an. Ich bin wirklich vollkommen schockiert, wieviele Athleten bei ihrem Wettkampf offenbar darauf vertrauen, dass der Veranstalter schon wissen wird, wann sie ihre Runden fertig haben. Auch das Kreuzen der Wettkampfstrecke und das damit verbundene "rüberziehen" ist nicht nur total gefährlich, es ist schlichtweg Irrsinn als Athlet auf so eine Idee zu kommen. Wahrscheinlich ist es das Adrenalin, was die logischen Zusammenhänge im Gehirn ausblendet?

Wir rufen unseren Athleten und all jenen, die zu straucheln scheinen auf jeden Fall gleich zu, dass sie weiter fahren sollen. Trotzdem stürzt eine Radfahrerin. Gott sei dank nicht schwer. Ärgern tut sie sich trotzdem und sein müssen hätte es auch nicht.

Der Alterspräsident passiert den Trommler ebenfalls und wir sorgen an der Radstrecke für ordentlich Stimmung. Als es leerer wird im Zuschauerbereich, weil immer mehr Begleiter mit ihren Athleten an die Laufstrecke wechseln, harren wir für die Vereinsmädels noch ein bischen aus und geben noch letzte Tipps zur Einfahrt in die Wechselzone.
Der Kapitän ist da schon längst am rennen und wird von seiner Frau unterstützt.

Wir sind nun auch am rennen. Schließlich müssen wir die beiden Damen ja erwischen, ehe es das erste Mal über die Brücke geht. Madita sieht fit aus, Lisabet quält sich wohl ein bischen. Aber das läuft sich sicherlich ein. Immerhin geht es hier leicht hoch. Und außerdem sehe auch ich schon längst nicht mehr fit aus... und ich stand die ganze Zeit nur rum. In der Sonne ist es unheimlich warm, ich kann gar nicht mehr richtig gerade stehen, habe eine Schwiele an der Hand vom Schellenkranz und eine belegte, kratzige Stimme vom rumschreien. Ich war auch schon mal besser drauf. Aber jetzt heißt es sich zusammenzureissen. Die Athleten spielen heute die Hauptrolle, nicht wir Anfeuerer. Wir sind schmückendes Beiwerk, aber auf uns kommt es nicht an.

Auf der Laufstrecke geben die Athleten noch mal alles und wir ebenfalls. Brücke rauf, Brücke runter, Standort wechseln, den Überblick behalten, Fremdsprachig unterstützen und den Athleten gute Ratschläge zubrüllen. Besonders gern wird da ja "ist nicht mehr weit" genommen und genau das rufe ich Lisabet zu, als sie auf ihre zweite 10km Runde rennt. Da sie aber noch Kraft zum Kopf schütteln und grinsen hat, weiß ich, sie hat noch Reserven. Das ist gut. Der Kapitän ruft mir auf mein Gebrüll lautstark zu, dass er uns alle hassen würde und so sind wir auch hier sicher, da geht noch was und er ist nicht am Limit.
Herrlich. Die Athleten haben super trainiert! Ich bin sowas von fremdstolz. Toll.

Der trommelnde Zeugwart hat seine Arbeit mittlerweile fast eingestellt und betätigt vom Tambourine nur noch den Schellenkranz. Es ist ruhig geworden auf der Laufstrecke und die Athleten sind mit klatschen und mündlichem Beistand bei Laune zu halten. Klatschen fällt mir allerdings schwer... die Schwiele schmerzt.
Wir drei Anfeuerer sind vollkommen ausgelaugt und fertig.

Als der Kaptiän ins Ziel läuft freue ich mich riesig für ihn... und ein kleines bischen auch für mich, denn sicherlich wäre er ohne uns auch ins Ziel gekommen, aber ich bin davon überzeugt, dass er unser Anfeuern genossen hat.

Nachdem der geduschte Kapitän sich im Stimmungsnest eingefunden hat, biegt wenige Minuten später Madita um die Ecke. Da hat sie sich Lisabet also noch geholt. Unglaublich die Frau. Lisabet ist nur gefühlte Sekunden hinter ihr und so beenden beide freudestrahlend und super stolz ihre erste Mitteldistanz. Eine Wahnsinnsleistung! Wir warten selbstverständlich noch, bis unser Alterspräsident im Ziel ist und machen ihm noch eine Welle. Wahrscheinlich hocke ich in seinem Alter nur noch vor der Glotze und kriege nix mehr hin... ? Er ist auf jeden Fall ebenso zufrieden im Ziel wie die anderen Athleten und wir sind schlichtweg begeistert. 

Es war ein wunderbarer Tag in Köln, und wenn man nicht nur irgendein Teil dieser großen Sportfamilie sein kann, sondern einer, auf den auf der Strecke gewartet wird, ist es noch umso toller!  Anfeuern ist eine wichtige Disziplin beim Triathlon. In Köln kommt einem die Streckenführung da wirklich sehr entgegen. Ein wirklich sehr schöner Wettkampf.

Als wir daheim ankommen fallen wir sofort ins Bett. Ich träume davon auch irgendwann mal eine Mitteldistanz ins Ziel zu bringen. Irgendwann mal...

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