I know of no single factor that more greatly affects our ability to perform than the image we have of ourselves. (..) The most dramatic changes that take place…occur when you abandon a concept of self which had previously limited your performance. My job is to let go of the concepts and limiting images which prevent me from perceiving and expressing my greatest potential.”


(Timothy Gallwey, author of Inner Game of Tennis; in The Total Runner by Dr. Jerry Lynch)

Sonntag, 7. Juli 2013

Ironman - Der Stolz bleibt.

Als es früh morgens bei uns zu Hause klingelt, weil die Teamchefin, der Profiathlet und das Sportkind den Zeugwart für die morgendliche Party am Langener Waldsee abholen, habe ich es gerade erst in meine Hose geschafft. Meine Arbeitsmontur habe ich noch nicht an. Ich habe allerdings auch noch 45Minuten Zeit, bis ich losfahren muß. Unser Treffpunkt ist um 7h. 

Da bin ich dann auch überpünktlich, nachdem ich mein Auto logistisch äußerst günstig geparkt habe. Heute habe ich eine Kühltasche mit diversen Getränkeflaschen im Auto, außerdem Wechselschuhe für den Zeugwart, Wechselklamotten für mich und natürlich Sonnencreme zum nachschmieren. Es wird ein langer Tag für uns und es ist immer gut entsprechend nachladen zu können. Gerade mit Getränken und Sonnencreme. Für Frankfurt sind heute knappe 30°C angesagt. Von Regen keine Spur. 

Mein Partner auf der Radstrecke ist heute eine alte BMW und ihr Fahrer. Wir verbringen heute viele Stunden miteinander und verstehen uns ganz gut. Während ich noch am Treffpunkt stehe, sind am Langener Waldsee längst alle Athleten im Wasser und der Zeugwart und die Teamchefin sorgen vor Ort für Stimmung. Leider scheint es auch ein paar Morgenmuffel an den See verschlagen zu haben, die sich nicht damit anfreunden können, dass anfeuern mit etwas Lautstärke verbunden ist. Aber weil es heute den ganzen Tag nicht auf Morgenmuffel oder andere Streckensteher ankommt, sondern auf die Athleten lassen sich der Zeugwart und die Teamchefin nicht beirren. So einfach ist das. 

Die ersten Athleten schießen aus dem Waldsee und an der lärmenden Menge vorbei. Und dann sind sie gefühlte Sekunden später schon in der Stadt und auf dem Weg in die Wetterau. Der Asphalt hat noch eine recht angenehme Temperatur, obwohl wir schon über 20°C haben. Die Athleten kommen heute in recht großen Gruppen auf die Strecke. Entweder alle haben das Schwimmtraining schleifen lassen, oder alle haben Schwimmen gut trainiert. Die Zeiten scheinen sich auf jeden Fall sehr zu ähneln, sonst würde sich das Radfeld weiter auseinander ziehen. 

In der Wetterau ist die Stimmung heute hervorragend. Man merkt das gute Wetter. Die Menschen kommen auf die Straße. Ich habe gut zu tun auf der Strecke. Nicht nur, dass die Athleten auf der Radstrecke des öfteren auf das Reglement hingewiesen werden müssen, auch hier ist es irgendwie wie gestern und ich beantworte zahlreiche Fragen. Man möchte meinen, dass die Athleten auf der Radstrecke eher mit Pedale treten und Nahrungsaufnahme beschäftigt sind, aber nein. Einige wollen lieber während ihres Wettkampfs noch ein paar Fragen beantwortet wissen. Oftmals kommt einem ja auch erst während der Situation, was einen beschäftigt... und dann gilt es eben gleich zu klären, ob das was einem da in den Sinn kommt, auch Regelkonform ist. Ich stelle also fest: es wäre wirklich schön, wenn sie die Athleten vor dem Wettkampf mal die Sportordnung durchlesen. Allerdings trainiert ein Ironman auch gefühlt rund um die Uhr, so dass ich auch wieder verstehen kann, dass das Hauptaugenmerk eben nicht auf der Sportordnung liegt. Trotzdem gehört die ja doch wieder zum Wettkampf, wie das Training eben auch.




Irgendwann ist es auf der Radstrecke dann regelrecht leer. Zumindest dort, wo ich langdüse. Mein Dienst hier ist auch praktisch beendet und so geht es nach einem letzten Tankstopp zurück in die Innenstadt. An der Wechselzone 2, die vom Rad zum Laufen, ist die Hölle los. Ich gebe meine Utensilien ab und pilgere zum eingerichteten Basislager.
Mein Auto steht dort, wo ich es abgestellt habe. Das ist schon mal ganz gut, denn so komme ich aus den dicken Motorradklamotten raus und ziehe mich regelrecht luftig an. Der Zeugwart war ganz offensichtlich bereits hier, denn er hat Getränke aufgefüllt und Schuhe gewechselt. So ein Basislager in Laufstreckennähe ist wirklich eine hervorragende Idee.
Ich marschiere nun über die Laufstrecke. Die liegt gefühlt zu 200% in der prallen Sonne und so bin ich froh, dass die sich im Basislager befindliche Sonnencreme vorhin großzügig auf meinen Armen, Gesicht und Beinen verteilen ließ. Die Athleten nutzen die Schwämme und die Wasserbecher um sich komplett naß zu machen. Ich kann sie total gut verstehen. Irgendwie bemerke ich kaum Wind und wie bereits erwähnt auch eigentlich keinen Schatten. Die Stimmung am Mainufer ist gut und die bereits anwesenden Athleten sehen so aus, als würden sie ihren Marathon tatsächlich genießen können. Derzeit verfallen nur wenige ins Gehen. Das, was am Schwimmtraining an Zeit gespart wurde, ist offensichtlich ins Lauftraining geflossen. Auch schlau. Wenn das alle so machen, paßt es ja wieder.
Irgendwann am späten Nachmittag bekomme ich großen Hunger und pilgere in Richtung der Wechselzone zurück. Dort esse ich was und treffe gleichzeitig ein großes Aufgebot an Teamkollegen die unsere drei Vereinsstarter heute tatkräftig bei ihrem Ironmanprojekt unterstützen. Der Flitzer ist um diese Zeit übrigens längst im Ziel und sicherlich bereits frisch geduscht. Ich habe ihn auf dem Rad und auch mehrfach auf der Laufstrecke gesehen. Er sah regelrecht locker und unangestrengt aus. Sein fast schon übermenschliches Training zahlte sich offenbar aus, zumindest was den Gesichtsausdruck angeht. Ob er mit seiner Zeit zufrieden ist weiß ich natürlich nicht. Allerdings ist es auch unfassbar für mich, mit einer Ironmanzeit unzufrieden zu sein. Diese Distanz auch noch mit einer Wunschzeit zu absolvieren ist schier übermenschlich oder eben was für Profis. Und davon ist der Flitzer schließlich weit entfernt, zumindest was seine Arbeitsbelastung angeht. Er ist schließlich ein ganz normaler Vollzeitarbeitnehmer und wird –nur weil er halt mal einen Ironman machen möchte- sicherlich nicht freigestellt.
Als mein Dienst zu Ende ist, marschiere ich ein letztes Mal über die Laufstrecke und zurück zum Basislager. Dabei sage ich dem Zeugwart Bescheid, dass ich jetzt fertig bin, mich in die Teamklamotten schmeisse und dann zu ihm komme. Und da sagt er mir, dass eines der Vereinsmädels gleich vorbeikommt und so lege ich gleich einen Spurt ein und schreie Liiiiiiisssssaaaaaabeth von der Brücke runter. Die Orientierung hat sie nicht gleich, aber egal. Sie erkennt meine Stimme und alles ist fein. Auch bei ihr sieht dieser Marathon regelrecht locker aus.
Am Basislager angekommen ziehe ich mich um, schmiere Sonnencreme nach und trinke ausgiebig. Dann mache ich mich mit dem Schellenkranz bewaffnet auf in Richtung Laufstrecke und treffe den Zeugwart. Zusammen bilden wir ein Stimmungsnest an der Ignatz-Bubis-Brücke. Und zwar auf beiden Mainseiten, je nach dem wo Madita und Lisabeth eben gerade so rumlaufen. Da die Athleten um sie rum eben auch dauerhaft diese Geschwindigkeit laufen, haben wir also bald eine ganze Gruppe von Athleten, die wir regelmäßig sehen. Wir haben auch das Gefühl, dass sie sich freuen über Schellenkranz und Trommelrythmus und so zaubern wir ein paar Lächeln auf die mittlerweile doch weitesgehend angestrengt wirkenden Gesichter. So ein Marathon ist eben einfach 42km lang und sowieso schon total anstrengend. Dazu kommt dann noch die Hitze und das bischen Schwimmen und Radfahren von vorher. Ich verstehe jeden Athleten, der Gehpausen einlegen muß.
Unsere Athleten schlagen sie wacker. Lisabeth strahlt die ganze Zeit. Madita hat Schmerzen und geht irgendwann ins Marschieren über. Ihr Schritt ist trotzdem fest und bestimmt. Sie wird heute eine Eisenfrau, keiner, der sie sieht, hat daran Zweifel. Zum Ironman werden gehört auch ein entsprechender Durchhaltewille. Ganz klar.
In der letzten Laufrunde der Vereinsmädels gesellt sich der Motivator zu uns. Die anderen Vereinsmitanfeuerer bewegen sich in Richtung Ziel am Römerberg. Wir stehen nun bei Km 41. Ein letzter Kilometer auf dem Weg zur lang ersehnten Medaille, zum Stolz den einem keiner mehr nehmen kann und zum „You are an Ironman“ Spruch, den jeder Finisher dort unter dem Zielbogen zu hören bekommt. Wir verabschieden uns von einem Großteil der Läufer auf diesem Kilometer. Viele laufen mittlerweile in Richtung Ziel und können jetzt schon mal ihr Zielfotolächeln üben. Ich bin so fremdstolz auf jeden Einzelnen von ihnen und das, obwohl sie teilweise selbst nicht so wirken als würden sie glauben können, dass es jetzt tatsächlich nur noch 1km ist.
Einer sagt, „Letztes Jahr war ich schneller“ , als wir ihm einen schönen Feierabend wünschen. Das ist ein Spruch, der mir regelrecht einen Stich versetzt. Heißt das, Du bist heute unzufrieden? Du, der 3,8km geschwommen ist und nach 180km welligem Radkurs noch einen Marathon hinlegt bei 30°C im Schatten und zu 90% in der Sonne? Du kannst sowas von zufrieden sein, dass Du gesund und aufrecht ins Ziel läufst. Du bist härter als die meisten Menschen auf der Welt, Du erbringst heute eine super Leistung und solltest Dir auf gar keinen Fall selbst einreden, dass sie nicht herausragend war. Das viele Training, der viele Verzicht! Du bist spitze gewesen, egal wie viele Gehpausen nötig waren. Du kommst lange vor 22h ins Ziel. Ich hoffe so sehr, dass die Einsicht noch auf dem letzten Kilometer gekommen ist und Dein Bewußtsein für Deine tolle Leistung heute Dir den Stolz für einen super Zieleinlauf gegeben hat.
Wir klatschen Lisabeth ab, die immer noch lächelnd rumläuft und wir wünschen ihr einen tollen Abend. Ich schlage vor, jetzt noch einen kurzen Schlußsprint einzulegen, aber weil ich weiß, dass das sicherlich kaum möglich sein wird, bin ich überzeugt, dass der Zielmagnet für Lisabeth sein Übriges tun wird.
Als Madita an uns vorbei marschiert wünschen wir auch ihr noch einen gigantischen letzten Kilometer. Ihr Wille ist wirklich beeindruckend. Mit ihr laufen noch einige weitere „Bekannten“ an uns vorbei und verabschieden sich für diesen Tag. Sie bedanken sich ausnahmslos für des Zeugwarts unermüdlichen Trommeleinsatz. Das könnte ich ja mal den Morgenmufflern vom Langener Waldsee als Rückmeldung geben.
Wir brechen nun unsere Anfeuerstation ab und fahren nach Hause. Dort schaffe ich es kaum meinen Motorradhelm aus dem Auto zu tragen, so müde bin ich. Es ist spät und immer noch warm. Ich stelle mich unter die Dusche, gehe ins Bett und schlafe sofort ein. Träumen tue ich sicherlich, aber der Traum behält seinen Inhalt für sich… nicht dass ein Deuter noch auf komische Ideen kommt.

13 Kommentare:

  1. Wow, das klingt nach einem tollen Wettkampf - sowohl aktiv, als auch als Helferin und "passiv".
    Wenn ich das alles so lesen kommt mir aber immer wieder eines in den Sinn:
    Du schreibst immer vom Motivator, aber ist Dir eigentlich klar wie glücklich sich Deine Teamkolleginnen und Teamkollegen schätzen können, Dich in ihren Reihen zu haben? Du engagierst ich, feuerst an und motivierst so unglaublich - wenn es Dich nicht gäbe, müsste man Dich erfinden. ;-)
    Ich ziehe meinen Hut und bewundere aufrichtig Dein vorbehaltloses Engagement und die bedingungslose Unterstützung, die Du den anderen Sportlern zukommen lässt. Das finde ich wirklich großartig. Das wollte ich auch mal geschrieben haben!
    Ganz liebe Grüße und mach bitte auf jeden Fall weiter so,
    Thomas

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    1. Lieber Thomas,
      es war einfach ein ganz toller Wettkampf, klasse, dass der Blogeintrag das offensichtlich rüberbringt. Nicht umsonst fiebere ich jährlich darauf hin, wie ein Kind zu Weihnachten.
      Danke für Deine Worte. Ich glaube allerdings nicht, dass meine Unterstützung so etwas Besonderes ist... die Athleten auf der Strecke, die sind besonders.
      Ganz liebe Grüße & danke für Deinen Kommentar!
      Claudi

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  2. Super Bericht, Claudi! Für uns ist der ironman auch immer etwas besonderes, aber als Helfer dabei sein zu dürfen ist doch noch eine andere Nummer :-)

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    1. Dankeschön.
      Gerade den Helfern bei so einer Veranstaltung gebührt immer besonderer Dank. Da hast Du vollkommen recht. In diesem Jahr waren es wieder so viele. Ganz toll!

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  3. Oh, was für ein toller Bericht. Jetzt freue ich mich umso mehr auf das nächste Jahr ;-)
    Vielleicht gefällt es mir ja so gut und du darfst irgendwann mein Rädchen kontrollieren.
    Habe die TV Übertragung aufgenommen und mir diese in Ruhe angesehen und doch tatsächlich zwei euerer Atlethen gesehen, dank eurer auffälligen Teamkleidung :-)
    Liebe Grüße
    Karina

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    1. Liebe Karina,
      danke für Deinen Kommentar. Ich freue mich schon jetzt auf den Tag, an dem ich Dein Rädchen und Deinen Helm prüfen darf.
      Ich hatte bisher noch keine Zeit für den Fernsehbericht. Aber dann werde ich auf die zwei Athleten achten... danke für den Hinweis!
      LG
      Claudi

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  4. Hallo Claudi,
    das ist wieder mal Gänsehaut beim Lesen :-). Und ich denke, du bist zu recht müde von diesem Tag. Du hast ja auch ganz schön was geleistet. Und der Ironman und all die anderen Verandstaltungen leben ja schließlich auch von den unglaublich vielen Helfern und Wettkampfrichtern, die auch einfach mal so ihren Dienst tun an einem Sonntag.
    Und ich stimme dir völlig zu: Ich denke es ist der schiere Wahnsinn, solch eine Strecke hinter sich zu bringen und jeder, der das schafft, sollte stolz auf sich sein. Egal, wieviel Zeit man braucht :-).
    Ich wünsche deinen beiden Iron(wo)mans (Vereinsmädels) gute Erholung und richte Ihnen herzliche Glückwünsche aus. Das haben sie super gemacht.
    Und du natürlich auch :-)
    Liebe Grüße
    Helge

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    1. Liebe Helge,
      die Vereinmädels lesen hier ab und an mal mit und so werde ich sie auf Deine Glückwünsche entsprechend hinweisen.
      Danke für Deinen Kommentar!
      Alles Liebe,
      Claudi

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    2. Vielen Dank Helge, wir sind mega happy und laufen noch immer grinsend rum. Die Erholung ist super, wir können schon wieder die Treppen steigen.

      Eines der Vereinsmädels.

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  5. Ein toller Bericht von einem tollen und aufregenden Tag. Ich war auch vor Ort und ich glaube, ich habe euch sogar beim Anfeuern am Main gesehen. ;-) Dein Blog gefällt mir übrigens sehr gut! Mach weiter so! LG Sonia

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    1. Liebe Sonia,
      schön, dass Du mal reingeschaut hast und danke für Deinen Kommentar. Ich bin mir sicher, den Zeugwart und seine Trommel hat man gut gehört....
      viele Grüße,
      Claudi

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  6. Hallo Claudi, ein wirklich toller Bericht. schade nur, dass ich Dich nicht gesehen habe (Tunnelblick??.)Auf dem Rad, als Kampfrichterin, war das noch o.k., aber beim Laufen hätte ich schon gern hallo gesagt. Zumal ich einige in eurem Vereinsdress an der Laufstrecke gesehen habe. Auf dem Rad hat mich eine Jutta (auch Vereinsmädel??)überholt, die ich erst beim Laufen wiedergesehen habe. Ich bin froh, dass ich den ersten IM (bei der Hitze) gefinisht habe, wenn auch, insbesondere auf dem Rad, noch reichlich Optimierungspotenzial da ist:-).
    Deine Posts waren immer eine schöne Ablenkung/Ergänzung zum Training und mach bitte weiter so. Ich drück die Daumen für Köln! Ganz liebe Grüße Frank

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    1. Hallo Frank,
      auf dem Rad hat Dich also Lisabeth überholt. Hat sie da auch so schön gelächelt, wie den kompletten Marathon?
      Herzlichen Glückwunsch zum Finish Deines ersten Ironmans! Ich wünsche Dir gute Erholung.
      Schade, dass wir uns nicht persönlich kennengelernt haben. So mußt Du einfach noch mal nach Frankfurt zu einem Wettkampf kommen. ;-)
      Hast Du schon weitere sportliche Ziele gefast?
      Viele Grüße,
      Claudi

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